Frau Dr. Siebert und der Spaß am Herd
Beitrag im "Der Feinschmecker - Sachsen"
Am Herd des „Landgasthofs zum Schwarzbachtal" steht Barbara Siebert aus dem Schwarzwald.
In einer der schönsten Ecken Sachsens kultiviert die Autodidaktin eine ambitionierte Regionalküche.
TEXT: CHRISTOPH RUF, FOTOS: MARIA SCHIFFER
Fröhlich lodern die Flammen empor, als Barbara Siebent mit einem Schürhaken die Herdplatte anhebt. Ein alter Glühplattenherd zeigt eben weitaus spannender Vorführeffekte als die moderne Induktionsvariante. „Von dem kann ich mich nicht trennen", sagt die 58-Jährige und schaut liebevoll auf das mattschimmernde Metall, auf dem nun alles wieder gesittet vor sich hin köchelt.
Kurz zuvor hatte ich die freundliche Einladung angenommen, ruhig alle paar Minuten in der Küche vorbeizuschauen. Zahlreiche Töpfchen und Pfännchcn stehen da in offen bar genau ausgeklügelten Abständen von der größten Hitze im Zentrum entfernt. Die beiden Ehepaare an den Nachbartischen scheinen recht umfangreiche Bestellungen aufgegeben zu haben.
Ich selbst werde kurz darauf mit einer klassischen Löwenkopfterrine beglückt, in der die „.Suppe aus regionalen Edelfischen mit Saiblingravioli und Safran" serviert wird. Barbara Siebert kocht nach Slow-Food-Prinzipien und hat sich viele Lieferanten aus der nahen Umgebung herangezogen. Interessant gewürzt ist die Brühe, bissfest sind die Teigtaschen, leicht angeräuchert die Fischstücke - gut! Das Rumpsteak ist hingegen nicht so medium gebraten, wie ich mir das gewünscht hatte. Doch dafür wird es von einer ganzen Armada sorgsam aromatisierter Gemüse begleitet: Ein Häufchen Mairübchen ist neben einem Klacks Mangold drapiert, der mit knackigen Pinienkernen vermengt wurde, daneben mit Ingwer geschmorte Karotten und weiteres Gemüse - all die Pfännchen und Töpfe waren also für die Steakbegleitung einer einzigen Person im Einsatz gewesen. Dazu legt Barbara Siebert dreierlei Sorten Spätzle - mit Roter Bete, Kurkuma und Spinat gefärbt. Als die energische Köchin mit dem ansteckenden Lachen zu hören bekommt, dass das ganz schön aufwendig sei, ist sie aufrichtig erstaunt. Das möge wohl stimmen, gibt sie dann zu. „aber ich empfinde es nicht als Last, zehn, zwölf Stunden in der Küche zu stehen und vorzubereiten, damit was Vernünftiges auf den Tisch kommt".
Das sieht nicht jeder so. Vor ihrer Gastronomiekarriere ist Barbara Siebert vielen Menschen begegnet, die eine gänzlich andere Einstellung zu ihrem freiwillig ergriffenen Beruf hatten. Siebert ist promovierte Germanistin. „Als die .Mauer fiel unterrichtete ich in Frankfurt am Main Deutsch für Ingenieure mit Rechtschreibschwäche", berichtet sie und muss sich sofort schütteln. „Die wollten aber nur wissen, wie man bei Gehaltsgesprächen besser verhandelt. Sie verstehen sicher, dass mir der Abschied in Richtung Sachsen nicht schwergefallen ist."
Auch mit Profiküchen hat sie so ihre Erfahrungen. Jahrelang ließ die Akademikerin, die mit ihrem mittlerweile verstorbenen Mann nach Hohnstein in die Sächsische Schweiz gezogen war, vermeintliche Experten an den Herd ihres Gasthauses, ehe sie den Beschluss fasste, selbst Hand anzulegen. „Anfangs nicht etwa aus Neigung, sondern schlicht, weil die Gäste wegblieben." Sie hat dann Tag und Nacht geschuftet, bis sie mit ihrer „Kocherei" zufrieden war. Doch als elitärer Wessi, der sein Personal verheizt, möchte sie auf keinen Fall gesehen werden. Das Thema ist ihr sichtlich unangenehm. „Als wir 1990 in den Osten kamen, kamen leider auch einige Westdeutsche, die das negative Bild vom Wessi nachhaltig geprägt haben", sagt sie. „Diese Leute haben auch uns das Leben schwergemacht, denn das Abzockerimage wurde allen Zugezogenen angepappt.“
Bis Ende der 90er-Jahre haftete das Wessi-Stigma an ihr, sagt Barbara Siebert. „Seit ein paar Jahren honorieren die Leute, dass ich immer noch da bin und dass deshalb auch mal Autos aus Dresden oder Görlitz hier im Dorf vorbeikommen.“' Sie selbst hat den Umzug nach Sachsen nie bereut. Jeden Donnerstag, wenn sich die „Schwarzbachtal"-Patronin einen Ruhetag gönnt und durch die dichten Wälder streift, verliebt sie sich von Neuem in die Region, die nun schon seit beinahe 25 Jahren ihre Heimat ist. „Die Gegend ist zauberhaft." Und dafür, dass kulturell etwas geboten wird, sorgt sie einfach selbst: Kleinkunstabende und literarische Menüs stehen häufig auf dem Programm des Landgasthofs, an dessen Veranda abends höchstens alle 20 Minuten ein Auto vorbeifährt.
Kürzlich war sie einmal wieder im Hochschwarzwald, bei Lenzkirch. Aus dieser Gegend stammt sie. Mittlerweile ist sie ihr fremd geworden. „Wenn man in der Sächsischen Schweiz lebt, in dieser Ruhe und dieser prachtvollen Natur, dann kommt einem der Schwarzwald völlig verbaut vor.“
